Steckbriefe aktualisiert

Die Steckbriefe der Naziclique wurden aktualisiert. Unter anderem gab es einige Wohnortwechsel, Teilnahmen an rechten Veranstaltungen und einen Gerichtsprozess in München.

Auch weiterhin gilt: Keine Anonymität für die Naziclique – In Göttingen und anderswo!

Neues von der Naziclique – Dritter Teil

Einige Monate sind vergangen, seit wir uns in Teil 2 der Ausgetobt-Recherche an einem aktuellen Überblick über die Göttinger Nazi-Clique versuchten. Es ist ruhiger geworden seitdem. Die Entwicklung, die wir damals darstellten – die Radikalisierung der Gruppe, zunehmende gewalttätige Angriffe auf Personen und Orte in Göttingen sowie ihre Vernetzung in die Kameradschaftsszene und in NPD-Kreise, kurz, die Entwicklung in Richtung einer klassisch militanten Neonazikameradschaft – ist zwar weiter fortgeschritten, zugleich haben öffentliche Aufmerksamkeit sowie antifaschistischer Widerstand der Nazi-Clique das Leben in Göttingen ungemütlich gemacht. Viele Kneipen erklärten Hausverbote, die Neonazis wurden an ihren Wohnadressen, ihren Arbeitsplätzen und in der Uni geoutet und wie man so hört, sind einige Autos und Wohnungen der Gruppe ebenfalls nicht unbeschadet geblieben. In einem breiten Bündnis hat Göttingen klar gemacht: In dieser Stadt ist kein Platz für Nazis!

Der große Paukenschlag war die antifaschistische Hausdurchsuchung im März diesen Jahres, die wir bereits in Teil 2 der Ausgetobt-Recherche erwähnten. Die Nazi-WG in der Reinhäuser Landstraße 44, in der damals noch Paul Sass, Kim Dietrichsen und Philippe Navarre wohnten, war damit am Ende und ein Teil der Neonazis aus der Stadt vertrieben. Wie wir mittlerweile wissen, hat dieser Teil Zuwachs bekommen und sich ins Göttinger Umland zurückgezogen. Das ist ein erster Erfolg, zur Ruhe gekommen sind sie dort aber nicht, sondern weiterhin politisch sehr aktiv und auch immer wieder in Göttingen zu sehen. Antifaschistische Arbeit muss deshalb weiter gehen – es gibt kein ruhiges Hinterland!

Der Kern der Nazi-Clique

Mit den neuen Wohnkonstellationen hat sich der Kern der Neonazi-Gruppe deutlich herauskristallisiert. Die neue Nazi-WG besteht aus Paul Sass, Kim Dietrichsen, Philippe Navarre und Felix Leonhard Hauser. Sie wohnen nun gemeinsam in der Bahnhofstraße 24 in 37154 Northeim, rund 20 Kilometer von Göttingen entfernt.

Wohnhaus der Naziclique in der Bahnhofstraße 24 in Northeim

Zahlreiche rechte Aktivitäten belegen, dass sich der Kern der Clique auch in Northeim überhaupt nicht von seinen extrem rechten Einstellungen gelöst hat. So berichteten wir bereits über die Teilnahme von Hauser und Sass am sogenannten Leistungsmarsch der JN Niedersachsen (Junge Nationalisten, Jugendorganisation der NPD) am 30. März 2019. Im August zeigte sich das AfD-Mitglied Paul Sass als Teilnehmer an einer Demonstration der Partei in Hannover unter dem Motto „Es reicht!“. Hier trug er das Hochtransparent des AfD-Kreisverbands Northeim. Es zeigte sich wieder einmal, dass es offenbar kein Problem ist, als Nazi in der AfD aktives Mitglied zu sein. Sass‘ Aktivitäten, Kontakte und politische Position waren zu diesem Zeitpunkt längst öffentlich bekannt. Auch seine politische Nähe zu dem inzwischen aus der AfD ausgeschlossenen und in Göttingen lebenden Lars Steinke ist kein Geheimnis. Damit ist Sass jedoch nicht allein, auch Hauser zeigte sich zwischenzeitlich öffentlich mit einem T-Shirt der AfD.

Die Mitglieder der Nazi-Clique sind trotz Wohnort-Wechsel regelmäßig in Göttingen, wohin sie entweder mit dem PKW oder im Metronom fahren. Insbesondere Paul Sass scheint sein Semesterticket für die Zugfahrten sehr regelmäßig zu gebrauchen. Die Clique treibt es nach Göttingen, weil sie – manche mehr, manche weniger erfolgreich – ihr Studium fortzusetzen versuchen. Sass und Hauser verlängerten etwa am 21. September 2019 am Hauptcampus ihre Studienausweise für das Wintersemester. Sass, der bisher Lehramtsstudent war hat sein Studienfach gewechselt und probiert es nun mit Jura und Philosophie. Auch Navarre studiert ebenfalls weiterhin eifrig Medizin an der Göttinger Universität, absolviert Prüfungsleistungen und wird regelmäßig in der Universität gesichtet.

Ebenfalls zum Kern der Clique muss weiterhin Robert Krüger-Zechlin gezählt werden, der in regelmäßigem Austausch mit den Northeimern steht. Nach wie vor wohnt er unter der Adresse Otto-Wallach-Weg 8 in einem Mietshaus im Göttinger Ostviertel, studiert den Master „Steuerlehre“ und besitzt seinen silbernen Citroen mit dem Kennzeichen LDK-AA-53. In der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober trifft sich Krüger-Zechlin beispielsweise mit Sass und Hauser, nachdem diese nach einem Kneipenabend ihren Zug verpasst hatten. Am selben Abend bedroht Hauser einen Passanten und nötigt ihn aggressiv, Müll aufzuheben. Aus Göttingen verzogen ist im August hingegen Louisa Bredemeier. Ihren Job als Arzthelferin hatte sie offenbar aufgrund ihrer Nazi-Aktivitäten zuvor verloren.

Familie Diederichs aus Alfeld

Über antifaschistische Interventionen durfte sich auch die rechte Aktivistin Ann-Marie Diederichs freuen. So berichtete das Göttinger Tageblatt, dass die Göttinger Adresse der Aktivistin mehrfach antifaschistisch beschenkt worden sei. Ein Auszug von Diederichs ließ nicht lange auf sich warten. Auch ihr Studium hat sie abgebrochen. Genau wie ihr Bruder Albrecht Diederichs, der nach wie vor Kontakt zu einigen anderen Mitgliedern der Nazi-Clique pflegt, ist Ann-Marie Diederichs zurück zu ihrem Vater gezogen.

Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung berichtete am 29. Juli 2019 ausführlich über Familie Diederichs, nachdem Antifaschist*innen die Gemeinde des Pfarrers Christian Diederichs mit Flugblättern über die Aktivitäten seiner beiden Kinder informierten. Er ist Pfarrer der St. Nicolai-Gemeinde in Alfeld.

Wie sehr Christian Diederichs politisch rechts einzuordnen ist, kann bisher nicht eindeutig gesagt werden. Neben der Tatsache, dass seine zwei Kinder trotz ihres jungen Alters seit mehreren Jahren in der extremen Rechten aktiv sind und er diese dennoch bei sich wohnen lässt, ist er in den letzten Jahren öfters unter anderem durch rechtslastige Kommentare im Internet aufgefallen. Er schrieb unter anderem: „Es ist blauäugig zu glauben, Europa müsse seine Grenzen öffnen, ohne den Zuzug klar zu begrenzen und zu kontrollieren.“ Diederichs sprach zudem 2014 als Gegenredner einer Veranstaltung zur Legalisierung der „Homo-Ehe“. Dass seine zwei Gören in die rechte Szene abrutschen, ist bei diesem Vater wohl wenig verwunderlich. Diederichs lebt im Eichenkamp 1 in 31061 Alfeld und fährt einen blauen VW-Passat mit dem Kennzeichen ALF-WH-39 sowie einen grünen VW-Bus mit dem auffälligen Kennzeichen ALF-HH-12.

Was macht eigentlich Lars Steinke?

Das ist eine gute Frage. Offenbar hat er mittlerweile doch endlich eingesehen, dass es mit der Parteikarriere (vorerst) nichts mehr wird. Sein öffentliche Hetze auf Social-Media-Plattformen hat er dennoch nicht eingestellt, privat treibt er sich gerne auf der Dating-Plattform Tinder herum. Kontakte zum übrigen Teil der Nazi-Clique scheint Steinke derzeit nicht zu pflegen, stattdessen versucht er offenbar mal wieder zu studieren. Zumindest wird er häufig in der Uni gesehen, unter anderem im Kulturwissenschaftlichen Zentrum (KWZ). Im September schrieb er zum Beispiel eine Klausur zu „Geldtheorie und Geldpolitik“. Steinke wohnt weiterhin An der Lutter 3 in 37075 Göttingen.

Paul Sass nimmt an AfD-Demo in Hannover teil

Der Nazi Paul Sass nahm am 24.08.2019 an einer Demonstration der niedersächsischen AfD teil. Unter dem Motto „Es reicht!“ zogen AnhängerInnen der AfD zusammen mit extremen Rechten durch Hannovers Innenstadt und hetzten gegen Migrant*innen.

Paul Sass (links) hält das Hochtransparent auf einer AfD Demonstration in Hannover am 24.08.19

In der Vergangenheit berichteten wir bereits ausführlich über Paul Sass extrem rechte und gewalttätige Aktivitäten in Göttingen. Er pflegt außerdem Kontakte ins Umfeld des Nazikaders und NPD-Funktionärs Thorsten Heise, nahm an dessen privater Silvesterfeier teil und arbeitete für ihn auf dem Rechtsrock-Festival in Ostritz. Vor seinem Umzug nach Göttingen im Sommer 2018 war er beim Hallensischen Ableger der Identitären Bewegung „Kontrakultur“ aktiv und besuchte bereits im April 2018 mit dem gewalttätigen Andreas Karsten („Kontrakultur Halle“) das Schild & Schwert Festival in Ostritz.

Laut der Unvereinbarkeitsklausel der AfD würden Personen, die in der Identitären Bewegung oder im Kameradschaftsumfeld von Heise aktiv sind ausgeschlossen werden. Paul Sass trug bei der Demo in Hannover sogar das Hochtransparent der Partei, obwohl seine rechten Umtriebe schon lange bekannt sind. Der Umgang mit Paul Sass scheint in diesem Zusammenhang aber mal wieder zu zeigen, dass Nazis in der AfD keineswegs ausgeschlossen werden, sondern ihren festen Platz haben!

Nicht neu ist außerdem, dass Paul Sass nicht nur gerne an AfD-Veranstaltungen teilnimmt (z.B. am 7.April 2018 auf dem niedersächsischen AFD-Landesparteitag), sondern auch Mitglied des Kreisverband (KV) Hildesheim der AfD Niedersachsen ist (Mitgliedsnummer NI-021-10631713).
Auch dubiose Zahlungen von ihm auf das Konto der JA Sachsen
hatten wir in der Vergangenheit bereits nachgewiesen. Die AfD toleriert ihn nicht nur in ihrer Partei. Paul Sass ist aktives Mitglied der Partei und einer von vielen Nazis in der AfD!

Louisa Bredemeier auf dem Eichsfeldtag 2019

Am 18. Mai 2019 fand in Leinefelde der von Thorsten Heise jährlich organisierte „Eichsfeldtag“ statt. Anwesend war mit Louisa Bredemeier auch in diesem Jahr wieder ein Teil der Göttinger Naziclique.

Anfang des Jahres war sie bereits zusammen mit Joost Nolte auf dem NPD-Neujahrsempfang in Büdingen zugegen. Fotos vom Eichsfeldtag belegen nun eine deutliche Nähe Bredemeiers zur Familie Thorsten Heises. Den Anschein eines vertraulichen Verhältnisses erweckte insbesondere die dokumentierte Nähe zwischen Louisa Bredemeier und Nordulf Heise. Dieser ist der älteste Sohn Heises, der am schweren Angriff auf zwei Göttinger Journalisten im April 2018 beteiligt war. Laut Antifa-Recherchen geht er derzeit einer Ausbildung im Bereich Gebäudetechnik in Wallis (Schweiz) nach.

 

Was ist der Eichsfeldtag darüber hinaus?

Das von der NPD und ihrem Vorstandsmitglied Thorsten Heise organisierte Event bietet ein breites Programm für AnhängerInnen der extremen Rechten und ihre Familien. In den vergangenen Jahren traten dort bereits bekannte Rechtsrock-Bands wie bspw. „Die Lunikoff Verschwörung“, „Nahkampf“ oder „Amok“ auf. Dieses Jahr konnte Thorsten Heise die Bands „Faust“, „Brigade 88“ und „Oidoxie“ für den Eichsfeldtag gewinnen. Die Organisationsstruktur des Festivals ist weitestgehend identisch mit der des SS-Festivals (Schild & Schwert) im sächsischen Ostritz, an dessen organisatorischer Spitze ebenfalls der Nazikader Thorsten Heise steht. Neben dem neonazistischen Entertainment-Programm und der Möglichkeit, sich ungestört zu vernetzen, dient das Event auch als politische Plattform für die NPD. Angemeldet war der Eichsfeldtag dieses Jahr nicht umsonst als Abschlusskundgebung der Europawahl.

Folgende Personen traten 2019 neben dem NPD-Bundesvize-Vorstand Thorsten Heise als Redner auf:

  • Udo Voigt (NPD-Abgeordneter im EU-Parlament und Spitzenkandidat für die NPD im Europawahlkampf 2019)
  • Baldur Landogart aka Tobias Schulz (Teil des NPD-Bundesvorstands)
  • Sebastian Schmidtke (Bundesorganisationsleiter der NPD)

Mit einem Infostand wurde wie jedes Jahr für den sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ), eine jährlich stattfindende Neonazi-Demo, Werbung gemacht. Dieser fand dieses Jahr bereits am 01. Juni in Chemnitz statt.

Göttinger Nazis beim JN-Marsch

Am 30. März 2019 fand ein, von der JN (Junge Nationalisten – Jugendorganisation der NPD) veranstalteter Marsch, in der Lüneburger Heide statt. Auch Göttinger Nazis nahmen an dem zweitägigen Marsch teil. So konnten Paul Sass und Felix Leonhard Hauser aus Göttingen als Teilnehmende identifiziert werden. Keine Überraschung angesichts der Tatsache, dass sich Teile der Clique schon seit geraumer Zeit dem politischen Umfeld des NPD-Kaders Thorsten Heise angenähert haben, worüber wir in der Vergangenheit bereits ausführlich berichteten.

Die Naziclique beim Rechtsrock-Konzert in Ostritz

Am 23.03.2019 fand in Ostritz ein von Thorsten Heise veranstaltetes Rechtsrock-Konzert „Back to the Roots“ statt. Etwa 500 Neonazis versammelten sich dort, es traten Bands wie „Endstufe“, „Kraft durch Froide“, „Irreductibles“, „Eskalation“ und „Last Chance“ dort auf. Felix Leonhard Hauser, Philippe Navarre, Paul Sass und Kim Dietrichsen besuchten ebenfalls das Rechtsrock-Konzert und übernahmen dort Schichten. Hauser und Sass trugen schwarze Westen der „Arischen Bruderschaft“ und wurden von Heise im Sicherheitsdienst eingesetzt, eine Position die sonst nur auserwählten Kreisen Heises zuteil wird. Auch Navarre und Dietrichsen trugen blaue „Mannschafts“-Westen und arbeiteten auf dem Konzert. Hieran zeigt sich erneut, wie stark die Verbindung zu Heise inzwischen ist.

Die Naziclique – Teil 2: Neue Namen, alte Strukturen

Im Dezember 2018 veröffentlichten wir einen umfassenden Überblick über die Göttinger Naziclique. Nach kurzer Ruhephase zu Beginn des Jahres 2019 tauchen die AktivistInnen aber schon seit einigen Wochen wieder vermehrt auf. Mit dem Studieren scheint es nicht besonders gut zu laufen, könnte man aus der Häufigkeit ihrer durchzechten Kneipennächte schließen. Vielleicht ist es aber auch die Gemeinschaft der Clique, deren Kern sich langsam aber deutlich um die von uns vorgestellten AktivistInnen herausstellt, oder die stetige Radikalisierung und Isolierung vom Rest der Gesellschaft, die die Mitglieder zusammenschweißt.

So oder so wird es Zeit für eine Fortsetzung unseres Überblicks. Einige neue Gesichter sind hinzugekommen, andere sind durch neue Übergriffe und Aktionen auffällig geworden. Seit Dezember sind einige Vorfälle geschehen, die wir hier zusammenfassen wollen. Es sieht leider nicht danach aus, als ob die Naziclique schon besiegt ist. Antifaschist*innen in Göttingen sind aber auf einem guten Weg, wie erste Aktionen gegen die Gruppe zeigen. Macht weiter so! Vielleicht können wir in Teil 3 dann schon das Ende der Göttinger Naziclique verkünden. Antifa heißt Angriff!

Einführend möchten wir nochmal auf unsere Einordnung der Gruppe aus unserem ersten Text verweisen: „Die Einordnung der Aktivisten ist nicht ganz einfach. Viele sind Mitglieder der AfD und ihrer Nachwuchsorganisation, der Jungen Alternative. Sympathien gegenüber der Identitären Bewegung haben alle. Gleichzeitig gibt es gefestigte Beziehungen zu lokalen Neonazi-Größen der alten Schule aus der Region, etwa zum NPD-Kader Thorsten Heise. Ob die Gruppe lieber rechts-konservativer AfD-Nachwuchs oder doch Möchtegern-Kameradschaft sein will, ist ihnen selbst wohl noch nicht klar. Zudem pflegen nicht alle Kontakte untereinander, doch sie eint ihr extrem rechtes Weltbild.“ Mittlerweile zeigt sich aber doch recht deutlich, welche Richtung der harte Kern der Gruppe geht: hin zu einer klassischen, militanten Neonazikameradschaft, welche über beste Kontakte in das direkte Umfeld von Thorsten Heise und zu ihm persönlich hat. Auch wenn sie inhaltlich immer noch neurechte Inhalte teilen, scheinen sie sich mehr und mehr von Akteuren wie der „Identitären Bewegung“ oder auch der Jungen Alternative zu entfernen. Dennoch bleibt ein Teil von ihnen Mitglied der Jungen Alternative, während sie auf persönlicher und aktivistischer Ebene die Kontakte zum Umfeld Thorsten Heises weiter verstärken und beispielsweise hinter dem Transpi der Kameradschaft Northeim in Dresden gelaufen sind.

Die Lieblingsbeschäftigung der Naziclique ist immer noch, sich abends in Kneipen in der Göttinger Innenstadt zu besaufen. Am 01. Februar 2019, einem Freitagabend, war eine Gruppe um Felix Leonhard Hauser, Robert Krüger-Zechlin, Philippe Navarre gemeinsam mit weiteren Personen in der Innenstadt unterwegs. Vermutlich feierten die Nachwuchs-Nazis zusammen den Geburtstag von Navarre, der an diesem Tag 25 Jahre alt wurde, und entschieden sich Ärger zu suchen. Sie besuchten die Göttinger Kneipen „Ade!“ und „Charly Maxx“. Zwischendurch spazierten sie durch die Rote Straße und sprachen vor dem dortigen Hausprojekt Personen an, ob sie Stress suchen würden. 

Elf Tage später, in der Nacht vom 12. auf den 13. Februar, stand die nächste Sauftour an. Wieder dabei waren Hauser, Krüger-Zechlin und Navarre. Dazu kamen einige weitere Personen, unter anderem Louisa Bredemeier und eine weitere Frau mit dunklen Haaren.

Gegen 3.15 Uhr am 13. Februar fiel die Gruppe in der linken Kneipe „Salamanca“ ein. Hauser und Navarre trugen dabei schlagkraftverstärkende Quarzsandhandschuhe. Die Nazis belästigten eine Mitarbeiterin und Kneipengäste und beleidigten diese homophob, konnten aber glücklicherweise aus dem Laden gedrängt werden. Draußen angekommen, zerrten und rüttelten sie an der verschlossenen Tür und machten sich und ihren Unmut lautstark bemerkbar. Wenig später tauchten sie vor einer anderen linken Kneipe, der „Sonderbar“ (kurz „S-Bar“) auf. Dort bedrohten sie zwei Personen und beleidigten sie unter anderem mit „Auschwitz“-Sprüchen. Einer der Neonazis hatte sich vor dem Laden bereits vermummt, was von einem der Gäste beobachtet wurde. Als aber mehrere Gäste gemeinsam in Richtung der Tür der Kneipe gingen, bekam die Nazi-Gruppe scheinbar Angst und flüchtete.

Womöglich fassen die Neonazis aber zunehmend mehr Mut, auch durch ihre Kontakte zum NPD-Kader Thorsten Heise, die sie in den letzten Wochen noch einmal ausbauen konnten. Bekannt ist mittlerweile zudem, dass Hauser bereits zum neonazistischen„Schild und Schwert“-Festival im sächsischen Ostritz am 2./3. November 2018 mit Heise-Sohn Nordulf Heise fuhr, dem unter anderem ein schwerer Überfall auf Journalisten mit möglicher Tötungsabsicht vor rund einem Jahr zugeschrieben wird. Unterwegs waren sie in Hausers silberfarbenem Ford Mondeo (Kennzeichen E-KL 990), der häufig von der Nazi-Clique inner- und außerhalb Göttingens benutzt wird.

Hauser war gemeinsam mit Paul Sass auch am 16. Februar 2019 zusammen auf einem neonazistischen Trauermarsch in Dresden. Dort liefen sie hinter dem Transpi der Kameradschaft Northeim, die von Heise mitgeführt wird. Auch über Paul Sass ist mittlerweile mehr bekannt. Er ist ist Mitglied im „FIZ“, dem Fitness-Studio des Sport-Zentrums der Göttinger Uni und dort öfters anzutreffen. In den Räumen des Sport-Zentrums sind in jüngerer Vergangenheit Schmierereien der „Identitären Bewegung“ angebracht worden. Sass Mitgliedsnummer beim AfD-Kreisverband Hildesheim ist mittlerweile auch bekannt: NI-021-10631713. Umso seltsamer bleiben seine Zahlungen an die JA Sachsen, die schon in unserem letzten Text erwähnt wurden. Er ist außerdem öfters in einem schwarzen VW Golf unterwegs.

Kim Dietrichsen

In der Nacht vom 21. auf den 22. Februar kam es dann zu einem schwerwiegenden Überfall der Naziclique. Zwischen 0 Uhr und 1 Uhr flog die Gruppe um Hauser, Navarre und Krüger-Zechlin aus der Kneipe „Trou“ in der Göttinger Innenstadt. Mit dabei waren vermutlich auch Sass und Kim Dietrichsen. Dietrichsen ist ebenfalls eine junge Neonazi-Aktivistin, die in der Nazi-WG in der Reinhäuser Landstraße 44 unter anderem mit Paul Sass wohnt. Sie kann als ideologisch absolut gefestigt verstanden werden und ist zentraler Teil der Naziclique. Dietrichsen ist auf der Reenactment-Instagram-Seite „die.blitzmaedchen“ zu sehen, wo sie für Fotoaufnahmen in Wehrmachtsuniform posiert.

Wieder einmal wurde die Bedienung der Kneipe an jenem Abend homophob beleidigt und auch angefasst. Anschließend zog die Gruppe unter anderem Richtung „Nauti-Bar“, „Salamanca“ und „Bierwirtschaft“. Im Laufe der Nacht verirrte sie sich wohl auch in die Rote Straße, die am nächsten Morgen von zahlreichen Aufklebern der „Jungen Nationalisten“, der Nachwuchsorganisation der NPD, übersät war.

Gegen 4.50 Uhr tauchten Teile der Gruppe mit Quarzsandhandschuhen bewaffnet in der „S-Bar“ in der Kurzen Straße auf. Sie griffen einen Gast bereits im Laden an, zerrten ihn und einen weiteren Gast, der dem Opfer zu Hilfe eilte, nach draußen und prügelten dort weiter auf diese ein. Die Betroffenen erlitten unter anderem Gesichtsverletzungen. Die Polizei nahm wenig später zwei Tatverdächtige in der Reinhäuser Landstraße fest. Laut „Göttinger Tageblatt“ erhielten zwei weitere Personen, ein 25-Jähriger und ein 28-jähriger, noch am gleichen Tag eine Hausdurchsuchung. Die in der Presse verkündeten Altersangaben lassen darauf schließen, dass es sich dabei um Navarre und Krüger-Zechlin handelt.

Ann-Marie Diederichs

Am 25. Februar fand in Northeim vor dem Amtsgericht ein Prozess gegen zwei Antifaschist*innen statt. Als Zeugin geladen war die 18-jährige Ann-Marie Diederichs, ebenfalls Teil der Göttinger Naziclique. Sie wohnt seit einigen Monaten im Guldenhagen 39, 37085 Göttingen und studiert seit dem laufenden Wintersemester Geschichte und Germanistik auf Lehramt an der Uni Göttingen. Ann-Marie Diederichs ist die kleine Schwester des uns bereits bestens bekannten Albrecht Diederichs. Die ehemalige Abiturientin aus Alfeld besucht in einer auffälligen Regelmäßigkeit rechte Szeneveranstaltungen und ist ideologisch trotz ihres jungen Alters bereits sehr gefestigt.

Am 11. März 2017 besuchte sie etwa einen sogenannten Trauermarsch der rechten Szene in Dessau zusammen mit dem Braunschweiger NPD-Schläger Lasse Richei und anderen Neonazis aus der Region. Nur zwei Wochen später, am 25./26. März 2017, war sie auf dem sogenannten Frühjahrsplenum des neonazistischen „Antikapitalistischen Kollektiv“ in Halle/Saale. Sie reiste zusammen mit den Aktivisten des „Freundeskreis Thüringen/NiedersachsenJens Wilke und Jan-Philipp Jaenecke an. Sie nahm außerdem am 06. Mai 2017 am von Thorsten Heise organisierten Eichsfeldtag, einem NPD-Fest im thüringischen Leinefelde, teil.

Ann-Marie Diederichs in Themar am Stand des TddZ

Beim „Rock für Identität“-Festival Tommy Frencks am 29. Juli 2017 in Themar betreute Diederichs zusammen mit ihrem Ex-Freund Joost Nolte den Infostand für den „Tag der deutschen Zukunft“ 2018 in Goslar, ein bundesweiter, jährlich stattfindender Neonazi-Aufmarsch. Mit dem aus Goslar stammenden Joost Nolte war sie nach eigenen Angaben von Mai bis September 2017 zusammen. Nolte ist einer der führenden Neonazis in der Harzregion und galt als einer der Anführer der Gruppierung „Kollektiv Nordharz“, die später im „Kreisverband Süd-Ost-Niedersachsen“ der Partei „Die Rechte“ aufgegangen ist.

Am 2./3. November 2018 besuchte Diederichs wie viele andere aus der Naziclique auch das Neonazi-Festival „Schild und Schwert“ in Ostritz. Das gleiche gilt für ihre Teilnahme am Neonazi-Trauermarsch in Dresden am 16. Februar 2019.

Ann-Marie Diederichs (r.) und Louisa Bredemeier (l.)

Diederichs ist gut mit Louisa Bredemeier befreundet, mit der sie immer wieder in sozialen Netzwerken posiert und sich gegenseitig verlinkt. Auch Ida Heise, Tochter von Thorsten Heise, wurde bereits in einer ihrer Instagram-Storys verlinkt. Auch Diederichs tritt auf der Instagram-Seite „die.blitzmaedchen“ in Wehrmachtsuniform auf.

Vor Gericht in Northeim leugnete Diederichs ihre Neonazi-Kontakte und -Aktivitäten fast vollständig. Sie erklärte, sie sei Anhängerin der CDU. Ihre intensiven Kontakte und ihre Teilnahme an politischen Veranstaltungen weit rechts von der CDU hatte sie vergessen oder alberne Ausreden parat.

Am 01. März 2019 kam es laut einem Schreiben im Internet zu einer „Antifaschistischen Hausdurchsuchung“ in der Nazi-WG in der Reinhäuser Landstraße 44 (https://barrikade.info/Antifaschistische-Hausdurchsuchung-in-Nazi-WG-in-Goettingen-1956). Darin wurden neue brisante Informationen über Teile der Nazi-Clique bekannt gemacht. Neben diversen Nazi-Devotionalien und historischen Fotografien aus dem Nationalsozialismus, werden auch diverse Waffen, die in der Wohnung gefunden wurden, gezeigt. Darunter befinden sich ein Pfefferlöscher und eine Pistole. Sie verdeutlichen das große Gewaltpotential, das von der Nazi-Clique ausgeht. Die Gruppe sucht nicht nur Auseinandersetzungen und gibt sich gewaltbereit, sondern ist offensichtlich bereits bewaffnet.

Für dieses Gewaltpotential sprechen auch ebenfalls veröffentlichte, an Sass gerichtete polizeiliche Vorladungen, die vermuten lassen, dass dieser in der Nacht vom 23. auf den 24. November 2018 an einem gewalttätigen Angriff auf zwei Männer in Göttingen beteiligt war. Die Polizei führt Sass als Beschuldigten einer gefährlichen Körperverletzung. Laut Presseberichten wurden dabei zwei Personen von zwei Männern und einer Frau homophob beleidigt und mit einer Metallstange attackiert und schwer verletzt. Es ist wohl davon auszugehen, dass auch weitere Mitglieder der Nazi-Clique beteiligt waren.

Am Samstag, den 23. März, war das Ziel der Truppe wieder einmal Ostritz, wo ein Rechtsrockkonzert mit mehreren Hundert Teilnehmenden stattfand. Zu Gast waren auch Paul Sass, Felix Leonhard Hauser, Philippe Navarre und Kim Dietrichsen. Während der Veranstaltung wurden Polizei und Presse körperlich attackiert: Mittendrin: Unser alter Bekannter Thorsten Heise.

Louisa Bredemeier am 05.01.2019 beim NPD ‚Neujahrsempfang‘

Louisa Bredemeier hat am 05. Januar 2019 beim ‚Neujahrsempfang‘ der NPD in Büdingen teilgenommen. Die Veranstaltung stellte nicht nur den Auftakt in den Europawahlkampf 2019 der NPD dar, sondern war darüber hinaus ein von etwa 200 Personen besuchtes Rechtsrockkonzert bei dem Szenegrößen wie „Lunikoff-Verschwörung“ und „Oidoxie“ auftraten. Bredemeier reiste dabei gemeinsam mit Joost Nolte (ehemals Kollektiv Nordharz) aus Goslar an.

 

Louisa Bredemeier

Louisa Bredemeier (rechts) im Gespräch mit Joost Nolte (links)

Paul Sass feiert Silvester gemeinsam mit Thorsten Heise

Paul Sass hat den Jahreswechsel 2018/2019 offenbar auf der Silvesterparty von Thorsten Heise auf dessen Rittergut in Fretterode gefeiert. Bildmaterial zeigt ihn im Hintergrund eines privaten Schnappschusses von Baldur Landogart und Thorsten Heise.

Im Vordergrund Baldur Landogart (l.) und Thorsten Heise (r.). Im Hintergrund links Paul Sass

Bildausschnitt: Paul Sass (links), Baldur Landogart (rechts)

Das Wohnhaus von Thorsten Heise